Leuchtturm Tourismus Lotsen
Martin Linne Mittwoch, 17. Februar 2021 von Martin Linne

Kurz-Analyse

Wirtschaftliche Folgen der Corona-Pandemie

Eine Kurz-Analyse für die Kooperation der Wirtschaftsvereine der Inseln Amrum, Föhr, Sylt und Helgoland

Die Tourismuswirtschaft ist stark von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Exakte Berechnungen sind derzeit noch nicht möglich. Die folgende Darstellung soll daher zeigen, welche wirtschaftlichen Dimensionen die Auswirkungen annehmen könnten.

Umsatzeinbußen von bis zu einem Drittel zu befürchten

Durch die Corona-bedingten Schließungen des Winter-Lockdown von November 2020 bis voraussichtlich April 2021 sind für die Tourismuswirtschaft in Schleswig-Holstein folgende Einbußen zu ermitteln:

Es fehlen ca. 3,2 Mrd. € an touristischen Umsatzerlösen.

Pro Tag betragen die Umsatzeinbußen durchschnittlich ca. 17,8 Mio. €.

Bei den Steuereinnahmen fehlen ca. 313,5 Mio. €.

Pro Tag sind das im Schnitt 1,7 Mio. € weniger an Steuereinnahmen.

Die Corona-Pandemie sorgt demnach aufgrund des starken Tagestourismus für einen kalkulatorischen Umsatzausfall von einem Drittel des Jahresvolumens. Das zeigt, wie sehr auch das Wintergeschäft in Schleswig-Holstein etabliert war.

Sollten im April wieder Reisen möglich sein, reduziert sich der Umsatzverlust auf 2,6 Mrd. €. Die Steuereinbußen betragen dann ca. 250,3 Mio. €.

Hinter diesen Zahlen stehen jedoch Menschen. Menschen, die Ihren Lebensunterhalt mit dem Tourismus erwirtschaften. Man stelle sich vor, dass ein Drittel der Jobs wegbrechen könnte. Das entspräche statistisch 48.450 so genannten Vollzeitäquivalenten. Viele Beschäftigte haben tatsächlich durch Kurzarbeit starke Einkommenseinbußen. Betroffen sind vor allem kleine und mittlere Einkommen. Vielen Menschen droht Arbeitslosigkeit.

Einordnung

Die Tourismuswirtschaft ist stark von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Exakte Berechnungen sind derzeit noch nicht möglich. Die folgende Darstellung soll daher zeigen, welche wirtschaftlichen Dimensionen die Auswirkungen annehmen könnten.

Eine Wertung der politischen Entscheidungen soll hier nicht stattfinden. Diese Zahlen sollen nicht falsch verstanden werden. Sie sollen lediglich ein Gespür dafür vermitteln, wie sehr die Tourismusbranche in Schleswig-Holstein von den Schließungen betroffen ist und welche ökonomischen Effekte diese nach sich ziehen.

Basis dieser Modellrechnung sind die Daten des statistischen Amtes für Hamburg und Schleswig-Holstein sowie des Tourismusbarometers für Schleswig-Holstein des Sparkassen und Giroverbands. Als Grundlage wurde das Jahr 2019 gewählt, weil es das letzte vollständig erfasste und ausgewertete Jahr vor der Corona-Pandemie darstellt.

Modellrechnung

Im letzten vor-Corona-Jahr 2019 verbuchte Schleswig-Holstein knapp 36 Mio. Übernachtungen und ca. 140 Mio. Tagesbesucher. Der touristische Bruttoumsatz wurde für 2019 mit 9,7 Mrd. € beziffert. Davon entfallen gut 4,4 Mrd. € auf die Tagesbesucher und knapp 5,3 Mrd. € auf die Urlaubsgäste. Aus diesem Bruttoumsatz resultiert kalkulatorisch ein Steueraufkommen von 943 Mio. € und von 161.500 Vollzeitäquivalenten (Stellen). (Sparkassen Tourismusbarometer Schleswig-Holstein, Auszug, 2020, S. 4).

Die Tagesgäste verteilen sich anders als die Urlaubsgäste. Das Winterquartal wird mit einem Anteil von 28% besonders stark von Tagesgästen nachgefragt. Angenommen, dass auch im April noch keine Reisen möglich sind, dürfte sich der Einbruch bei den Tagesanreisen auf ca. 40% belaufen (vereinfachte Annahme). Die Übernachtungen gehen um 27,6% zurück - auf Basis des Jahres 2019.

Verluste können nicht wieder erwirtschaftet werden

Wenn das Reisen wieder möglich wird, öffnen die Betriebe in den Zeiten, in denen sie ohnehin schon eine gute Auslastung haben werden. Ein Hotelzimmer lässt sich pro Nacht nur einmal vermieten. Der zu erwartende geringe Aufholeffekt kann also das fehlende Drittel der Umsätze nicht decken.

Bei den starren Kapazitäten der Branche kann die Nachfrage dann nicht komplett befriedigt werden. Die Konsequenz für die Kunden: Die Preise werden ansteigen.

Wirtschaftshilfen ausbauen

Die Betriebe sind wirtschaftlich geschwächt. Probleme bei den Hilfszahlungen verschlechtern die Situation. Wenn die November- und Dezemberhilfen noch angemessen bemessen wurden, so greift das Überbrückungsgeld 3 zu kurz. Die Betriebe haben weitere Defizite zu tragen, die sie im Grunde selbst nicht zu verantworten haben. Hilfskredite sind für viele Betriebe auch keine Lösung, weil die Rentabilität schon vor Corona nur durch sehr viel persönliches Engagement im Rahmen der Familie darstellbar war.

Mehr Verständnis für die Tourismuswirtschaft

Bundesweit sind ca. 3 Mio. Menschen in der Branche beschäftigt – mehr als in der Automobilindustrie. Die Branche ist zu einem erheblichen Teil von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt. Es gibt nur wenige Großunternehmen.

Planbarkeit ist das Gebot des Öffnens

Die Tourismusbetriebe bemängeln eine fehlende Planungssicherheit. Auch wenn Planung in der Krise schwierig ist, müssen die politischen Entscheider verstehen, dass Tourismus nach anderen Regeln funktioniert. Diese sind bei den weiteren Beschlüssen zu berücksichtigen, damit beim Öffnen der Branche nicht weitere Fehler passieren. Ein Schnellstart, wie er nach dem letzten Lockdown stattfand, wird die angeschlagenen Betriebe jetzt in weitere Schwierigkeiten bringen.

Ein Beispiel:

Ein Hotel kann man nicht wie ein Auto ein- und ausschalten. Das braucht einen Vorlauf von ca. 1 Woche für die Disposition z. B. von frischen Lebensmitteln - die Einstellung von Personal nicht berücksichtigt. Ein leerstehendes Haus bucht sich auch nicht schlagartig voll. Damit sich der Betrieb lohnt, ist auch hier ein Vorlauf von 2 bis 4 Wochen erforderlich.

Tourismus als ganzheitlichen Sektor sehen

Wirtschaftliche Zusammenhänge im Tourismus sind sehr komplex. Die Wertschöpfungskette umfasst viele Bereiche, die nicht direkt der Tourismuswirtschaft zugeordnet werden können, aber dennoch unter den Schließungen leiden. Das betrifft z. B. Handwerker, Zulieferer, Händler und Großhändler gleichermaßen.

Teilöffnungen helfen nicht.

Werden frühzeitig Einrichtungen geöffnet, die ihre Kunden überwiegend aus dem Tourismus rekrutieren, helfen Teilöffnungen nichts. Fallen dann etwaige Hilfen weg, kann erst recht die Öffnung mit reduzierten Umsatzerlösen das Ende der Betriebe bedeuten.

Auch Öffnungen mit eingeschränkter Kapazität sind im Tourismus schwierig. Allein für die Betriebsbereitschaft ist so viel Personal erforderlich, dass ein Hochfahren mit reduzierter Kapazität häufig nicht wirtschaftlich sein wird. Der Entfall von Förderungen führt dann zwangläufig in die Insolvenz.

Probleme stiftet der unkontrollierte Tagestourismus. Hier müssen weitere digitale Lösungen gefunden werden, mit denen das Tagesgastaufkommen gesteuert werden kann. Erste Lösungen funktionieren.

Oft können Urlaubsgäste und Tagesgäste gar nicht unterschiedlich betrachtet werden. Viele Einrichtungen können ohne Tagesgäste nicht wirtschaftlich betrieben werden. Das betrifft insbesondere die Inseln. Auf den Inseln existieren viele Geschäftsmodelle nur mit dem Verbund aus Tages- und Urlaubsgästen. Häufig sind die Beherbergungskapazitäten zu gering, um eine komplette touristische Infrastruktur aus lokalen Verkehren, Handel, Gastronomie und Freizeiteinrichtungen nur aus dem Übernachtungsaufkommen zu finanzieren.

Eine Unterscheidung zwischen Tagesgästen und Urlaubern ist nicht immer sinnvoll. Urlaubsgäste des einen Ortes sind Tagesgäste des anderen Ortes. Für diesen sekundären Ausflugsverkehr müssen Lösungen entwickelt werden. Die Akzeptanz der Kurkarten wäre hier eine einfache Lösung, um Tagestourismus kontrollierbar zu gestalten.

Über den Autor

Dr. Martin Linne lehrte bis 2022 an der Hochschule Harz u.a. Hotelmanagement.

Neben den akademischen Tätigkeiten engagiert er sich auch in der Praxis. Er ist Geschäftsführer der Tourismus Lotsen UH und des Wirtschaftsforum Helgoland e.V. und darüber Teil einer Kooperation der Wirtschaftsvereine von Amrum, Föhr, Sylt und Helgoland.

Dr. Martin Linne konnte aus diesem Verbund einen authentischen und umfassenden Eindruck der Corona-Krise und ihrer Folgen für die Unternehmen und Unternehmer gewinnen. Linne hat die Corona-Krise somit aus vielen Perspektiven des Tourismus direkt und indirekt erlebt und analysiert.

Wernigerode, Elmshorn, den 17.02.2021

Dr. Martin Linne

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