Leuchtturm Tourismus Lotsen
Martin Linne Donnerstag, 28. November 2024 von Martin Linne

Die linguale Adaption der Originalressource bei der Translation ist wissenschaftlich inadäquat

Sprache in der Wissenschaft

Mit meinem neuen Lehrbuch Tourismus knüpfe ich sprachlich an meine lange Tradition an, einfache und verständliche Sprache in wissenschaftlichen Texten zu verwenden. Das ist mir sehr wichtig. Wie es dazu kam und was ich damit meine, schreibe ich in diesem Blog.

Ich glaube zudem, es ist an der Zeit, noch viel intensiver über Fragen und Formen nachzudenken, wie heute und zukünftig Wissen vermittelt werden kann.

Lange Tradition - warum?

1991 habe ich mein BWL-Studium in Göttingen begonnen. Irgendwann stand als Pflicht im Hauptstudium VWL an. Ich hatte das Glück, das damals u. a. bei Jarchow zu hören. Ich meine, dass er bereits in der Vorlesung im Grundstudium immer die englischen Quellen Brealey/ Myers und Dornbusch/Fischer zitiert hatte.

Egal, wann das war: Ich besorgte mir die deutsche Übersetzung und verstand nichts! Durch Zufall hatte ich dann mal das englische Original in den Händen. Plötzlich verstand ich den Stoff. Die alten Bücher von 1994 stehen noch heute in meinem Bücherregal.

Es lag also nicht an VWL, nicht am Soff, nicht am Inhalt. Es war die Art und Weise, wie bei der ins Deutsche übersetzten Literatur wissenschaftliche Inhalte beschrieben werden.

Wie fing das an?

Schon als junger Student verstand ich nicht, weshalb ein gut verständlicher, englischer Originaltext im Deutschen so kompliziert war. Eine schlanke Übersetzung hätte es doch auch getan! Dann klingt das aber nicht wissenschaftlich oder anspruchsvoll genug. Oder beispielhaft anders ausgedrückt: Die linguale Adaption der Originalressource bei der Translation ist wissenschaftlich inadäquat…

Irgendwann fing ich dann selbst an, Fachaufsätze und Bücher zu veröffentlichen. Auch wenn es mir immer noch schwerfällt, versuche ich seitdem meine Schriftsprache schlicht zu halten. Ich mache das mit Sicherheit nicht perfekt. Und in meinen Texten wird es immer noch hunderte Beispiele geben, wo ich sprachlich daneben liege. Aber, wie sagt man so schön (gehässig), ich war und bin stets bemüht!

Worum geht es?

Kurze und wenig verschachtelte Sätze basteln. Hierzu ist anzumerken, dass bei verschalteten, also in sich stark gegliederten, Satzgebilden, insbesondere, wenn sie sehr lang sind, diese beim Leser den Effekt auslösen, dass der Anfang des Satzes, sei er auch noch so spannend, schlicht vergessen wird, wobei zusätzlich die dauerhafte Speicherung des Satzinhalts im menschlichen Hin unterbleibt.

Die Botschaft in den Hauptsatz packen und keine Floskeln verwenden: Folglich ist anzumerken, dass… uuund schwupps wird die zentrale Botschaft in den bedeutungslosen Nebensatz verfrachtet. Der wichtige Hauptsatz verpufft wirkungslos.

Die Substantivierung von Verben und Adjektiven führt zu einer Reduzierung der Verständlichkeit. Oder besser: Inhalte lassen sich leichter aufnehmen, verstehen und speichern, wenn sie aktiv formuliert werden. Oder kurz und knackig: Weg mit den ungs, heits, keits und ismen!!!!

Diese wenigen Beispiele verdeutlichen das enorme Potenzial unserer Sprache. Sie ist grundsätzlich – und vielleicht auch gerade erst dann – präzise und verständlich, wenn wir auf wissenschafts-sprachlichen Firlefanz verzichten. Denn auch in der Wissenschaft wollen die Autoren doch gelesen, oft zitiert und erst Recht verstanden werden!

Unsere Sprache ist reichhaltig. Allein schon dann, wenn wir fremdsprachige Lehnwörter vermeiden, bieten unsere Originale viele Möglichkeiten zu variieren. Ist das nicht uncool? So können jedenfalls aus dem Jour fixe ganz einfach Stehkonferenzen, Kurztreffen, schnelle Abstimmungsgespräche u.v.m. werden. Dann weiß man gleich, worum es geht.

Kleiner Exkurs

Wenn ich mich in meinen Vorlesungen so richtig schön warmgeredet hatte, sagte ich gern so einen Blödsinn, wie: „Stehkonferenzen setzen sich immer mehr durch.“ Das braucht ein bisschen. Ist aber gut....

Wer war damals eigentlich dabei?

Das haben sie nun davon!

Zwei Menschen haben mich sehr geprägt, meine Sprache zu entwickeln. Da ist mein alter Deutschlehrer in Klasse 7 bis 10. Wir nannten ihn Helle, was mehr als nur eine Koseform seines Namens Helfried bedeutete. Auch wenn ich als bekennender „fauler S..k“ bei ihm nie gute Noten einfuhr, hat er meine Sprache substanziell geprägt.

Und dann ist da natürlich meine größte Kritikerin, meine Frau Silke. Sie hat so viel konstruktive Kritik ab meinen Texten geübt, dass es mir immer leichter fällt, einfach und verständlich zu schreiben.

Es bleibt aber ein langer Weg. Ich hoffe, dass ich z. B. in den Vorlesungen zum wissenschaftlichen Arbeiten einiges davon weitergeben konnte!

Herzlichst,

Ihr

Martin Linne

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