Leuchtturm Tourismus Lotsen

Die TravelTussi

Martin Linne Samstag, 9. Juli 2016 von Martin Linne

Oder wie Roboter das Reisen verändert haben

Die TravelTussi

Wir schreiben das Jahr 2026. Schantall und Justin Kwitnoschinski kommen gegen 21.30 Uhr in Berlin in ihrem Hotel "Smart City Cube" an. Sie haben eine 2,5 stündige Anreise mit der Bahn, 45 Minuten Verspätung und einen unfreundlichen Taxisfahrer hinter sich gelassen und freuen sich auf ein paar entspannte Tage in Herzen der Stadt. Wir befinden uns nun an der Rezeption.

Guten Tag und herzlich Willkommen im Smart City Cube. Bitte nennen Sie mir Ihren Wunsch!

Ja, guten Tag, äh, wir hatten ein Zimmer reserviert.

Schön, wie lautet Ihr Name?

Kwitnoschinski! Schantall und Justin Kwitnoschinski.

Ich habe Sie nicht verstanden!

Kwitnoschinski!!

Ich habe Sie nicht verstanden. Bitte geben Sie Ihren Namen gern auf der Tastatur vor Ihnen ein.

K W I T N O S C H I N S K I

Guten Abend Kwitnoschinski. Bitte nennen Sie mir Ihren Reservierungscode!

Ja, also, Moment, ich muss eben mal nach

Ich habe Sie nicht verstanden! Bitte nennen Sie mir Ihren Reservierungscode!

39-za-491.#

Bitte sprechen Sie langsamer!

3 9 z a 4 9 1 . #

Folgenden Reservierungscode habe ich verstanden: 3 9 z a 4 9 1 . #

Ist das richtig, sagen Sie bitte richtig. Ist das falsch, sagen Sie bitte falsch.

RICHTIG!

Bitte schreien Sie mich nicht an! Ich bin doch auch höflich zu Ihnen.

Ja, bin ich denn verrückt!

Oh nein, Sie sind Kwitnoschinski!

So oder so ähnlich könnte das künftig in Hotels ablaufen, wenn die Damen und Herren Kwitnoschinski künftig einchecken wollen. Da sehnen wir uns doch direkt nach dem guten alten Rezeptionisten, der freundlich lächelnd immer etwas maulig und grummelig wirkte und Herrn und Frau Kwitnoschinski niemals mit Namen angesprochen hätte.

Nun, im Jahr 2026 sind diese TravelTussis überall. Im Hotel, an der Kasse zum Kino, selbst in einigen Restaurants werden schon die nächsten Generationen TravelTussi2.0 getestet. Die sind mobil und können servieren. Auch in vielen Tourist Infos wird nun damit geworben werden. "Unsere TravelTussi hat rund um die Uhr für sie geöffnet."

24 Stunden Öffnungszeiten. Rundum Service. Nur zufriedene Gäste. Und keine Personalkosten mehr.

Ist das nicht eine traumhafte Vorstellung oder ein Horror Szenario? Ich weiß es nicht. Mir ist dabei unbehaglich.

Natürlich können standardisierte Prozesse auch von smarten Systemen übernommen werden. In bestimmten Bereichen kann sogar ganz auf den Faktor Personal verzichtet werden. Smarte Apps machen den Hotel Check In bereits jetzt ohne Personal möglich. Grade im Bereich der Geschäftsreisen kann das eine sinnvolle Alternative sein, denn hier laufen die Prozesse extrem standardisiert ab. Und die Erwartungshaltung der Reisenden richtet sich nicht primär an freundliches Personal, sondern hauptsächlich an gutes und bequemes Schlafen, Sauberkeit im Zimmer und natürlich ein exzellentes Frühstück.

In diesem Jahr (2016) wurden auf der ITB TravelTussis ober besser Reise-Roboter präsentiert. Wie sollen wir damit umgehen? Sollen wir jede technische Entwicklung bejubeln? In der Industrie hat der Roboter schon seinen Zenit erreicht. Hier geht es nicht um automatisierte Prozesse, sondern um Vernetzung. Industrie 4.0. Und in der Tourismuswirtschaft werden jetzt Roboter gefeiert! Das ist schon beinahe anachronistisch.

Vernetzt sind die TravelTussis doch erst dann, wenn sie mit Gesichtsscannern ausgestattet sind und Herrn und Frau Kwitnoschinski nicht nur sofort erkennen, nein sie müssten ihnen auch sofort mittels Schnittstelle die Schlüssel- und Zimmerapp aktivieren, damit sich das Hotelzimmer sofort auf die von Herrn und Frau Kwitnoschinski voreingestellten Parameter konfigurieren kann: Raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit mit Zimmerduft "Hispanema", das Bett auf Höhe 45 und Härtegrad 7 sowie den Lichteffekt "Bibbi" in zartem pink mit Variationen von apfelgrün. Doch auf das intelligente Hotelzimmer und die smarte Hotel-App warten wir schon seit 2007. Selbst das Schani in Wien ist noch nicht ganz so weit. Auch wenn es hier schon eine Zimmer-App gibt. Damals haben wir in dem Buch "Hotel 2020" Erwartungen dargestellt, wie sich ein Hotelzimmer an den Gast und nicht der Gast an das Hotelzimmer anpassen kann.

Naja, wir warten weiter, wundern uns über die TravelTussis und hoffen, dass die Branche den Blick auf den Gast nicht noch mehr verliert.


Es grüßt wie immer politisch inkorrekt und im Grunde technikaffin

Ihr

Martin Linne

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